Wenn der Verein wie Familie ist: Zwei Auer spielen seit 75 Jahren Handharmonika
Seit 75 Jahren sind Helmut Haitz und Manfred Fahrner beim HC Viktoria in Au am Rhein aktiv – ans Aufhören denken sie auch mit 87 noch nicht.
Helmut Haitz (links) und Manfred Fahrner gehören zu den Urgesteinen
des Harmonikaclubs Viktoria Au am Rhein.
Seit 75 Jahren sind die beiden jeweils aktiv.
(Foto:
Yvonne Hauptmann)
Wann er das erste Mal eine Handharmonika in der Hand gehabt hat? So richtig weiß
Helmut Haitz das nicht mehr. Wohl aber, wann er sein erstes Instrument geschenkt
bekommen hat: „Zu Weihnachten. Neun Jahre war ich damals alt“, erinnert sich der
Auer. Inzwischen ist Haitz 85. Handharmonika spielt er noch immer. So wie
Manfred Fahrner.
Kaum eine Musikprobe wird ausgelassen
Der 87-Jährige und sein Kollege Helmut Haitz sind zwei der Urgesteine des
Harmonikaclubs Viktoria Au am Rhein und die ältesten Mitspieler des Vereins.
Keine Musikprobe lassen sie aus. Jeden Dienstagabend finden sie sich im
Probelokal bei der Rheinauschule ein.
Eine offizielle Ehrung für 75 Jahre gibt es gar nicht
„Stets pünktlich und bestens vorbereitet“, lobt Dirigentin Gitta Zeller ihre beiden ältesten Musiker. Der Probetag hat im Lauf der Zeit öfter gewechselt: Mal war’s der Freitag, ganz früher der Montag. Fahrner und Haitz blieben ihrem HC Viktoria treu. Inzwischen sind sie seit 75 Jahren im Verein aktiv – so lange, dass es nicht einmal mehr eine offizielle Ehrung durch den Verband gab, weil eine derart lange aktive Zeit in den Statuten nicht definiert ist.
Im Orchester des HC stechen die beiden nicht nur durch ihr Alter hervor: Sie sind zudem die einzigen beiden Musiker, die diatonisch spielen – und damit fast Exoten. Während viele Handorgler im Lauf der Zeit das Knopfinstrument, das auf Zug und Druck (also diatonisch) gespielt wird, zugunsten eines chromatischen Akkordeons eintauschten, blieben die beiden Auer ihrer Handharmonika treu: Auch wenn im Verein inzwischen nur noch auf Akkordeons musiziert wird und es kaum mehr Notenliteratur für ihre Handharmonikas gibt.
Während Helmut Haitz (links) und Manfred Fahrner (rechts) noch mit diatonischen
Handharmonikas,
die statt Tasten nur Knöpfe haben, spielen, lernt Quentin (Mitte)
das Musikmachen auf einem modernen Akkordeon.
(Foto:
Yvonne Hauptmann)
Ihre Instrumente sehen ganz anders aus als die der restlichen Musiker. Bezeichnet man es als „Akkordeon“, erntet man einen entrüsteten Aufschrei. „Das ist eine Handharmonika, kein Akkordeon“, schnaubt Helmut Haitz. Und dann lacht er. Er kennt das nämlich schon und ist die Verwechslungen gewohnt.
Noten werden eigens für die zwei Musiker umgeschrieben
„Bei den alten Stücken gibt’s die noch und die neuen lassen wir umschreiben“, sagt Doris Weßbecher-Hengst, Vorsitzende des HC Viktoria. Aber überhaupt, die alten und die neuen Stücke. „Das Moderne liegt mir nicht immer so“, sagt Manfred Fahrner, der seit jeher die zweite Stimme spielt.
Die meisten Stücke kann Manfred Fahrner auswendig
Aber er fuchst sich rein. Wenn Gitta Zeller aber einen Ländler oder eine Polka auflegt, dann blühen die beiden alten Hasen auf. Oder einen von den alten Schlagern. Die kann Fahrner fast alle auswendig. „So viele Ordner an Noten könnte ich ja gar nicht mit mir herumtragen. Da hab ich’s lieber auswendig gelernt“, meint der Auer augenzwinkernd. Jahrzehntelang habe er bei Familienfeiern, Geburtstagen oder anderen Festen gespielt.
Nicht nur die Instrumente, sondern auch die Noten, von denen Haitz und Fahrner
spielen,
unterscheiden sich teilweise von denen der anderen Musiker.
(Foto:
Yvonne Hauptmann)
Eine riesige Notenbibliothek hat hingegen Helmut Haitz im Lauf der Zeit angesammelt. Teilweise sehen die Stücke ungewöhnlich aus: Zehn Notenlinien statt fünf, darunter Hinweise, ob auf Zug oder Druck gespielt wird – diatonisch eben.
Über „ihren“ HC lassen die beiden nichts kommen. Der sei schließlich wie Familie. Fahrner war jahrelang in der Verwaltung aktiv, Haitz half tatkräftig mit, als der ehemalige Fahrradkeller der Rheinauschule in ein Probelokal für den Verein umgebaut wurde. „Es ist so schön, wenn hier alle Generationen zusammenkommen“, sagt Helmut Haitz.
"Wir geben euch nicht her."
Ursel Schröder Musikerkameradin der zwei Handharmonikaspieler
Wie lange sie noch weiter machen wollen? „Ich habe nicht vor, aufzuhören“,
betont Manfred Fahrner. „Wir geben Euch auch gar nicht her“, sagt seine
Musikerkameradin Ursel Schröder bestimmt und klopft ihm auf die Schulter.
„Bis in fünf Jahren muss der Verband dann aber in die Pötte kommen“, scherzt
einer in der Gruppe. Immerhin steht dann das 80-jährige aktive Jubiläum der
beiden an. Auch dafür sehen die Statuten nämlich keine Ehrung vor – bisher
jedenfalls.
(BNN 26. Mai 2025: Yvonne Hauptmann)